Menü
Zurück
5 Minuten Lesezeit

Erkenne Narzissmus bei Führungskräften!

Erfahren Sie hier, woran Sie Narzisst:innen erkennen, warum man sie so reichlich auf Führungsetagen findet und wie Sie am besten mit ihnen klarkommen!
Großspurig, selbstverliebt, manipulativ? Klingt nicht wirklich sympathisch, aber am Narzissmus ist nicht alles schlecht!

Beim Narzissmus lautet die spannende Frage nicht einfach: Ist Person X ein Narzisst/eine Narzisstin, ja oder nein?

Passender ist es, nach der Ausprägung von Narzissmus bei einer Person zu fragen?

Denn – Narzissmus, als Persönlichkeitsmerkmal ist in der Bevölkerung normalverteilt, wie etwa Intelligenz oder Körpergröße, d.h. wir alle sind narzisstisch. Mehr oder weniger.
Erst wenn der Narzissmus sehr stark ausgeprägt ist und noch eine zerstörerische Komponente hinzukommt, könnte man an eine narzisstische Persönlichkeitsstörung denken.

Aber auch im subklinischen Bereich, wo man vielleicht nur von narzisstischen Tendenzen sprechen würde, hat das schon Auswirkungen auf Dynamiken am Arbeitsplatz.
Also, auch jemand ohne eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung kann sein Umfeld ganz schön „aufmischen“.

Narzissmus als Persönlichkeitsmerkmal ist in der Bevölkerung normalverteilt, wie etwa Intelligenz oder Körpergröße, d.h. wir alle sind – mehr oder weniger – narzisstisch!

Narzissmus kann nicht nur gering, durchschnittlich oder stark ausgeprägt sein, sondern er hat auch qualitativ sehr unterschiedliche Facetten. Viele der Merkmale, die dazugehören, sind sehr gefragt in der Businesswelt.

Unternehmen zahlen beispielsweise viel Geld für Assessment-Center, um jemanden zu finden, der extrovertiert und kontaktfreudig auftritt, selbstbewusst kommunizieren kann und sich durchzusetzen weiß.

Und - auch das gehört zum Verhaltensrepertoire eines Narzissten.


Kommen wir deshalb zur 1. Frage!

Frage 1: Woran erkenne ich einen Narzissten/eine Narzisstin?

Wenn Fachleute Narzissmus diagnostizieren wollen, orientieren sie sich an folgenden Symptomen.

Jemand:

  1. hält sich für grandios wichtig.
  2. hat Erfolgs- und Machtfantasien.
  3. glaubt nur von ebenso angesehenen Menschen verstanden zu werden.
  4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung.
  5. hegt ständig Ansprüche auf Sonderbehandlung.
  6. nutzt andere für seine Ziele aus.
  7. ist oft neidisch auf andere und unterstellt wiederum anderen Neid.
  8. tritt arrogant und überheblich auf.
  9. Es fehlt an Empathie, Gefühle und Bedürfnisse anderer werden nicht gesehen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber auf mich trifft davon so einiges zu. Ich halte mich zwar nicht für grandios wichtig, aber ich finde ein bisschen Bewunderung gar nicht so schlecht und genieße es durchaus, mal irgendwo eine Extra-Wurst zu bekommen.

Was den ausgeprägteren Narzissmus ausmacht ist, dass jemand von all dem noch eine ordentliche Schippe mehr im Visier hat und auch unbedingt braucht.

Es muss ständige Bewunderung sein, die selbstverständliche Unterordnung anderer, am besten noch Unterwerfung, Applaus ohne Ende, Ansprüche auf Sonderbehandlung quasi als Geburtsrecht und so weiter.

Dazu kommen noch die sozial unverträglichen Komponenten wie die Großspurigkeit oder die fehlende Empathie.

Narzissten können zudem andere sehr erfolgreich manipulieren und für eigene Ziel einspannen. Und durch die Unfähigkeit, die Bedürfnisse anderer überhaupt anzuerkennen, finden sie ihr Verhalten auch angemessen.

Fremde Leistungen und Erfolge werden nicht gelobt, sondern eher abgewertet; indem man andere kleinmacht, kann man sich selbst überlegen fühlen.

Die genannten 9 Erkennungsmerkmale des Narzissmus, lassen sich in drei Kategorien zusammenfassen.

Anhand dieser drei Kategorien lässt sich sehr leicht die Antwort auf Frage 2 finden:

Wer von anderen bewundert oder zumindest anerkannt werden will, ist auch bereit Höchstleistung zu liefern!

Frage 2: Warum findet sich die Spezies der Narzisst:innen so reichlich auf Führungsetagen?

Das liegt einfach daran, dass zwei dieser drei Merkmalskategorien des Narzissmus gesellschaftlich sehr hoch im Kurs stehen.

  1. Der Autoritätsanspruch!
    Dieser Autoritätsanspruch ist hochgradig kompatibel mit unserer Suche nach Führungspersönlichkeiten, jemand der sich hinstellt und überzeugend verkündet:
    "Führen? Absolut mein Ding, will ich und kann ich!"
  2. Der Hang zur Selbstdarstellung!
    Selbstvermarktung entspricht absolut dem Zeitgeist. Jemand der besonders selbstbewusst, offen und kontaktfreudig auftritt und sich gut „verkauft“, wird für insgesamt kompetenter gehalten.
  3. Das „ausbeuterische Verhalten“!
    Nur diese Kategorie passt nicht so gut in den Arbeitskontext, denn auch die „soft skills" stehen sehr hoch im Kurs. Hier leiden oft nur Kolleg:innen im direkten Umfeld, während andere Abteilungen vorwiegend vom Charisma des Narzissten eingenommen sind.

Wir können also festhalten, dass eine gute Prise Narzissmus, uns beruflich durchaus nützlich sein kann.

Wer von anderen bewundert oder zumindest anerkannt werden will, ist auch bereit Höchstleistung zu liefern. Und Ehrgeiz und Engagement stehen auf der Wunschliste ganz oben bei der Einstellung von Mitarbeitern.

Narzissmus auf der Chefetage korreliert übrigens auch mit erhöhter Bereitschaft für Innovation und neue Technologien. Dabei winken schließlich öffentliche Aufmerksamkeit, eventuell Medienauftritte und das ist eine perfekte Bühne für Narzissten.

Das erklärt auch, weshalb Unternehmen auch dann an narzisstischen Führungskräften festhalten, wenn längst bekannt ist, dass sie im Umgang „etwas schwierig“ sind.
Sie gehören eben oft zu den Leistungsträgern im Unternehmen und scheinen manchem Unternehmer geradezu unverzichtbar.

Am Narzissmus ist also nicht alles schlecht, aber gerade die „ausbeuterischen“ Qualitäten können einem das Arbeitsleben sehr schwer machen.

Deshalb kommen wir zur Frage 3:

Oft leiden nur Kolleg:innen im direkten Umfeld, während andere Abteilungen vorwiegend vom Charisma des Narzissten eingenommen sind!

Frage 3: Wie komme ich am besten mit narzisstischen Persönlichkeiten klar?

Dazu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht! Fangen wir mit der Schlechten an:

Einen Narzissten/eine Narzisstin werden Sie nicht ändern. Punkt!

Diese Erkenntnis ist insofern nützlich, als man weniger Gefahr läuft, auf die Manipulationsversuche eines Narzissten hereinzufallen. Oft stellt sich das Szenario folgendermaßen dar:
Man hat sich gerade mühsam ein bisschen von der narzisstischen Person distanziert, da kommt diese mit Charme und Verbindlichkeit um die Ecke.
Sobald man dann freudig seine Deckung aufgibt, in der Hoffnung, da hätte jemand etwas dazugelernt, dauert es nicht lange und man erlebt die nächste Achtlosigkeit oder Abwertung.

Geben Sie also alle Erziehungsambitionen auf!

Und wenn Sie eine Strategie gefunden haben, mit der narzisstischen Person klarzukommen - und das wird eine Distanzierungsstrategie sein - dann bleiben Sie ganz konsequent dabei.

Kommen wir zur guten Nachricht: Es gibt Handlungsmöglichkeiten!

Falls Sie beim Lesen doch einige narzisstische Züge an sich entdeckt haben sollten, könnten Sie ein wirksames Mantra ausprobieren. Das lautet:

Auch andere sind wichtig!

Wenn Sie mit anderen zusammenkommen, beispielsweise im Meeting, überlegen Sie sich, wie Sie diesem: Auch andere sind wichtig! - Ausdruck verleihen können.

Etwa durch:

Ihnen fällt sicher noch mehr ein!


Wenn es eher so ist, dass Sie unter dem Verhalten einer narzisstischen Person zu leiden haben, können Sie über folgende Optionen nachdenken:

Option 1:

Sie suchen das Gespräch mit der narzisstischen Person. Damit machen Sie quasi einen persönlichen Narzissmus-Test. Ein wirklicher Narzisst wird Ihre Wünsche an ihn ignorieren, Kritik wird er nicht annehmen, sondern Sie abwerten und für unzulänglich erklären. Möglicherweise findet er Ihren Vorstoß so anmaßend, dass er sich sogar im Ton vergreift.
Wenn das passiert, beenden Sie das Gespräch, beispielsweise so:
„Schade, dass wir uns hier nicht annähern können, aber offensichtlich klaffen unsere Sichtweisen da stark auseinander" oder
„Ein sachlicher Austausch sieht für mich anders aus, ich beende das Gespräch jetzt".

Sollte Ihre Führungskraft wider Erwarten mit Offenheit punkten, umso besser, dann gibt es eine gemeinsame Gesprächsgrundlage.

Option 2:

Sie wechseln auf die nächste Hierarchieebene und sprechen beispielsweise mit dem Vorgesetzten der narzisstischen Person oder der Geschäftsführung und schildern dort Ihre Situation. Die Frage, ob Sie schon mal das direkte Gespräch gesucht haben, können Sie jetzt selbstbewusst bejahen. Manche Unternehmer:innen werden hellhörig, wenn Rückmeldungen aus der Mitarbeiterschaft narzisstisches Verhalten beschreiben. Denn Führungskräfte, die beispielsweise Verantwortung nicht delegieren können, wirken behindernd auf das gesamte Entwicklungspotenzial eines Unternehmens.
Im besten Fall ergibt sich daraus eine Lösung. Wenn Sie hier aber kein Gehör finden sollten, dann kommt vielleicht die nächste Option infrage.

Option 3:

Sie arrangieren sich ganz bewusst mit der Situation. Ich kenne eine jüngere Führungskraft, die entschieden hat, ihren wesentlich älteren narzisstischen Chef einfach zu überleben. Dafür stehen die Chancen in dem Fall nicht schlecht. Wenn Sie sich also entscheiden in der Situation zu bleiben, achten Sie auf Folgendes:

Option 4:

Sie verlassen die Situation und kündigen. Das kann eine sehr gute Entscheidung sein. Denn ein Arbeitsumfeld, in dem Wertschätzung und Entwicklungschancen fehlen, macht auf Dauer krank.
Zum Glück wissen das viele Unternehmen auch und arbeiten deshalb kontinuierlich an ihrer Führungskultur.

Falls Sie sich für diese Option entscheiden, wünsche ich Ihnen, dass Sie ein Unternehmen finden, indem Sie sich und Ihre Fähigkeiten voll einbringen können.

Noch ein ermunterndes Wort an die leisen Menschen unter Ihnen:

Auf einer Narzissmus-Skala hätten Sie vermutlich eine eher geringe Ausprägung.
Es zieht Sie nicht auf die Bühne und Aufschneiderei ist schon gar nicht Ihre Sache.

Manchmal ist es nicht leicht, sich gegenüber den lauten und in den Mittelpunkt drängenden Kollegen zu behaupten. Unsere Gesellschaft honoriert egomane Selbstdarstellung, aber ich finde, man kann da ruhig ganz bewusst einen Kontrapunkt setzen.

Nicht jeder hat Lust, in einen Fanclub einzutreten und sich der Entourage eines narzisstischen Kollegen anzuschließen.

Erlauben Sie sich ganz selbstbewusst anders zu sein, denn - man kann auch leise von sich überzeugen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der selbstbewussten Abgrenzung!



Diesen Blogartikel gibt es hier auch als Video!

Über die Autorin:

Kerstin March ist Diplom-Psychologin, Dozentin und Coach. Sie hilft Unternehmen, psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren und Mitarbeiter nachhaltig fit zu machen. Ihr Blog und die kostenfreien Video-Coachings unterstützen Interessierte dabei, ihren Job mit mehr Kompetenz und Gelassenheit anzugehen!

Zum Profil

So verpassen Sie garantiert nichts!

Einmal pro Quartal gibt es ein Update zu Neuigkeiten, wie aktuellen Blogartikeln oder Coaching Videos. Haben Sie Interesse am Thema "Stark im Job", dann tragen Sie sich für meinen Newsletter ein!