Die Psychologie hinter Konflikteskalationen!
Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat unterschiedlichste Konflikte analysiert und dabei festgestellt:
bestimmte Eskalationsstufen lassen sich bei allen Konflikten wiederfinden, egal ob es sich um Privatpersonen, Unternehmen oder um Staaten handelt.
Zu wissen, auf welcher Stufe sich ein Konflikt befindet, ist so wichtig, weil Konflikte ab einer bestimmten Eskalationsstufe nicht mehr ohne Unterstützung von außen gelöst werden können.
Die Konfliktforschung unterscheidet 3 Phasen; jede Phase hat 3 Stufen, insgesamt sind es also 9 Stufen. Die muss man sich auf keinen Fall merken. Es reicht, wenn man einschätzen kann, in welcher Phase sich ein Konflikt befindet, um geeignete Lösungsstrategien zu entwickeln.
Ganz am Anfang steht eine Verstimmung/Verhärtung; ein bestimmter Anlass führt zu Spannungen.
Beispiel:
- Der Kollege ist mehrfach unpünktlich,
- der Vorgesetzte hält sich nicht an Zusagen,
- der Nachbar hält die Nachtruhe nicht ein.
Jetzt folgt im Idealfall die Debatte und der Konflikt kommt auf den Tisch. Man diskutiert oder streitet. Wenn man das konstruktiv hinbekommt, kann man zu guten Lösungen für beide Seiten kommen.
Wer hier aber nicht aufpasst und den anderen angreift oder herabsetzt, der eskaliert den Konflikt.
Dazu ein Beispiel:
„Lieber Kollege, Sie kommen wie üblich zu spät, ihr Verhalten ist wirklich alles andere als professionell. Wenn Sie das nicht abstellen, mache ich die Beratungen in Zukunft alleine!"
Aber auch, wenn man nichts tut und die Angelegenheit ignoriert, kann der Konflikt eskalieren; insbesondere, wenn man sich nicht ausweichen kann. Die Konfliktparteien gehen dann eben - ohne Kommunikation – direkt zur nächsten Stufe über:
Die 3. Stufe von Phase 1 trägt den Titel: Taten statt Worte. Hier sind die Konfliktparteien sich einig, dass man mit dem anderen ohnehin nicht reden kann; man zieht sich vom anderen zurück und meidet den Kontakt. Jeder zieht jetzt sein Ding durch, entscheidet im Alleingang und stellt den anderen vor vollendete Tatsachen.
2 Beispiele:
- Der unpünktliche Kollege wird nicht mehr einbezogen,
- der laute Nachbar wird nicht mehr gegrüßt und man nimmt für ihn keine Pakete mehr an.
Innerhalb dieser 1. Phase könnte jede der beiden Parteien das Problem ansprechen und die Chancen stünden gut, dass man eine Lösung findet. Ich stelle Ihnen dazu gleich eine Formel vor, mit der man einen Konflikt „wirkungsvoll“ ansprechen kann. Aber erst einmal zurück zur Eskalation.
Beim Übergang in Phase 2, also auf dem Weg zur Eskalationsstufe 4 passiert etwas sehr Typisches, das ein lösungsorientiertes Gespräch zwischen zwei Parteien massiv erschwert.
Die Konfliktparteien suchen sich jetzt Verbündete; Dritte werden jetzt einbezogen. Je nach Temperament der Beteiligten oder wie sehr man emotional involviert ist, werden Außenstehende jetzt intensiv mit negativen Informationen gefüttert; so lange, bis sie sich dem Urteil über die Gegenpartei anschließen.
Mit dieser Rückenstärkung geht es dann selbstbewusst in die 5. Stufe – die Stufe von Gesichtsangriff, bzw. Gesichtsverlust.
Man legt es darauf an, dass jeder das wahre Gesicht des Gegners erkennt. Er wird öffentlich angegriffen, provoziert oder auch vor anderen zur Rede gestellt.
Am Ende der 2. Phase trägt Stufe 6 den Titel: Ultimatum.
Man droht mit drastischen Konsequenzen, wenn die eigenen Forderungen nicht erfüllt werden.
Beispiel:
- Im beruflichen Kontext, könnte ein Mitarbeitender sich weigern, an Teammeetings teilzunehmen, solange die andere Konfliktpartei auch anwesend ist,
- dem Nachbarn könnte man mit einer Anzeige drohen.
In dieser 2. Phase wird bereits so viel Front aufgebaut, dass die Rückkehr in eine konstruktive Kommunikation kaum ohne Unterstützung von außen geht. Es braucht zur Lösung eine 3. Partei, die vermittelt. Beispielsweise durch eine Konfliktmoderation.
Ab der 7. Stufe steuert man in eine Richtung, in der auch die Konfliktmoderation wenig Chancen hat. Man hat sich in eine Situation manövriert, in der die Bereitschaft den anderen überhaupt nur anzuhören gegen null geht.
In dieser 3. Phase befinden wir uns in einem kriegsähnlichen Zustand!
- In der 7. Stufe werden begrenzte Vernichtungsschläge ausgeteilt
- In der 8. Stufe geht es um die Zerstörung des gegnerischen Systems
- Und in der 9. Stufe geht’s: Gemeinsam in den Abgrund; da nimmt man eigene Verluste in Kauf, solange es nur auch den anderen trifft.
Nicht jeder Konflikt hat das Zeug für diese 3. Phase, aber durch die Medien begegnen wir eskalierten Konflikten dennoch tagtäglich: nicht nur in realen kriegerischen Auseinandersetzungen, auch die öffentlich geführten Scheidungs-Schlammschlachten sind Beispiele für hocheskalierte Konflikte. Da gibt es keine Einigungen mehr, sondern z.B. ein Gericht entscheidet - über Unterhaltszahlungen oder ein Sorgerecht.
Übrigens durchlaufen Konflikte diese 3 Phasen nicht hübsch, der Reihe nach, sondern ungeordnet, mal vor und wieder zurück und Konfliktparteien können sich auch auf unterschiedlichen Stufen befinden.
Mancher eskaliert, ohne dass der andere das als tatsächlichen Konflikt überhaupt realisiert.
Solange der Konflikt in Phase 1 steckt, lässt er sich noch recht unkompliziert ansprechen.
Beispielsweise mit der Sag‘ es-Formel:
Beispiel:
- Mir ist aufgefallen, dass Sie jetzt mehrfach verspätet zum Termin kamen, heute sogar 10 Minuten. Für mich heißt das, dass ich den Kunden so lange bei Laune halten muss, damit der nicht das Gefühl hat, uns wäre der Termin nicht wichtig. Mir ist das jedes Mal sehr unangenehm. Wie sehen Sie das?
- Ja, das tut mir auch leid, aber bei den frühen Terminen ist das oft schwierig. Mein Kleiner geht seit kurzem in die Kita. Und manchmal klappt das nicht so mit der Übergabe.
- Oh ja, das verstehe ich. Ich wünsche mir aber schon, dass wir gemeinsam in die Beratung starten. Wie bekommen wir die Situation denn gut gelöst?
- Vielleicht könnten wir unsere gemeinsamen Termine in dieser Eingewöhnungsphase erst ab 8.30 anbieten?
- Ja, für ein paar Wochen komme ich Ihnen da gerne entgegen.
Mit dieser Methode lassen sich Kompromisse herstellen oder sogar ein Konsens finden.
Eine weitere Formel lautet www.konflikte-ansprechen.de.
Beispiel:
Ich habe festgestellt, dass Sie jetzt mehrfach verspätet zum Termin gekommen sind.
Mir ist das sehr unangenehm, wenn ich den Kunden so lange bei Laune halten muss.
Wertschätzender wäre es, wenn Sie uns nicht warten ließen.
Ich bitte Sie deshalb um zuverlässige Pünktlichkeit!
Hier erfragt man nicht explizit die Sichtweise des anderen, aber es ist schön kurz und für ein Statement völlig ausreichend.
Ist der Konflikt bereits in die 4. Stufe eskaliert und damit in Phase 2 eingetreten, dann sollte man sich Unterstützung holen. Jemand, der bereit ist, eine Konfliktmoderation zu steuern und von beiden Parteien als neutral akzeptiert wird:
- Das kann ein Vorgesetzter sein,
- jemand aus einer anderen Abteilung,
- jemand dem Sie vertrauen.
Die Kommunikation verläuft dann nicht mehr direkt, sondern über diesen neutralen Dritten. Auch so lässt sich meist ein Konsens, zumindest aber ein Kompromiss finden.
Ist ein Konflikt aber erstmal in der 3. Phase angekommen, braucht es für eine Lösung auf jeden Fall professionelle Unterstützung. Hier geht es meist nicht ohne Entscheidungen von außen.
Beispiele:
Ein Vorgesetzter könnte entscheiden, dass zwei Konfliktpartner in verschiedene Abteilungen versetzt werden oder ein Richter entscheidet im Zuge einer gerichtlichen Auseinandersetzung.
Das ist eine entscheidende Frage, denn Unterstützer spielen eine wichtige Rolle bei der Konflikteskalation?
Bevor man sich als Außenstehender einspannen lässt, ist es immer gut, sich mit beiden Positionen zu befassen. Opfer zu unterstützen ist richtig, aber nicht jeder, der sich als Opfer fühlt, ist auch eins. Wie ein Opferstatus sehr effektiv inszeniert werden kann, sieht man bei Donald Trump und seiner Reaktion auf gerichtliche Schuldsprüche.
Wenn ich als Konfliktmoderatorin in Prozesse einbezogen werde, ziele ich immer darauf ab, die „Opfer“ zu stärken.
Mitzufühlen ist wichtig, aber niemandem ist geholfen, wenn man aus Solidarität in einen Krieg einsteigt.
Fragen Sie lieber nach, wie Sie unterstützen können!
Dass wir Konflikte nicht lösen können, kommt immer wieder vor. Zur Lösung eines Konflikts gehören ja immer mindestens zwei Parteien.
- Beide müssen sich darüber einig sein, dass es einen Konflikt gibt und
- beide müssen eine Lösung wollen und
- bereit sein, mit dem anderen zu verhandeln.
Wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist, dann gibt es auch keine Lösung und man steckt u.U. in einer Situation fest, die ziemlich anstrengend und auch ungesund sein kann.
In dieser Situation haben wir dennoch drei Handlungsoptionen:
- Wir können die Situation verlassen!
Aus manchen Konflikten kann man einfach aussteigen, beispielsweise indem man den Job kündigt, sich eine neue Wohnung sucht oder eine Beziehung verlässt. Das tut man nicht leichtfertig, vielleicht auch mit Bedauern, weil man sich das ja mal anders gedacht hat, aber es kann genau die richtige Entscheidung sein! - Wir können uns arrangieren!
Nicht jeden Konflikt können oder wollen wir verlassen. Was wir dann tun? Wir arrangieren uns, oft aber mit dem Gefühl, bei der Konfliktlösung versagt zu haben. Besser ist es, an dieses Arrangieren ganz selbstbewusst heranzugehen, klar und strategisch!
Wie gestalte ich Begegnungen mit dem Konfliktpartner?
Wie kann ich mich selbst stärken und innerlich ausrichten?
Wie kann ich Abstand gewinnen und die Situation weniger an mich heranlassen? - Wir können den Konflikt eskalieren!
Das bedeutet in den „Kampf“ zu gehen, Stellung zu beziehen. Konfliktscheue Menschen fürchten sich oft, alles noch schlimmer zu machen, wenn sie aufhören, ausgleichend und beschwichtigend zu sein.
Eine Kampfansage zu machen, kann etwas sehr Befreiendes haben. Aber sie braucht auch Kraft und die „Sache“ sollte das wert sein.
Konflikte werden wir immer wieder erleben. Je belastender sich eine Situation anfühlt, desto aktiver sollten wir auf eine Konfliktlösung hinarbeiten!