Aggressive, übergriffige Kunden im Büro?
Teil 2: Deeskalation im Alltag - Zeigen Sie Ihren Kunden, wo es langgeht!
Je mehr Sie in Ihrem Job mit Menschen zu tun haben, die unter Spannung stehen, sich durch etwas bedroht fühlen, gestresst oder überfordert sind, müssen Sie auf eskalierende Situationen gefasst sein.
Ob bei der Arbeit im Jobcenter, der Ausländerbehörde oder sozialen Einrichtungen, es gibt immer wieder Kunden für die Beleidigungen, Drohungen oder körperliche Übergriffe - aus welchen Gründen auch immer - zum Verhaltensrepertoire gehören.
Ihre Kunden können Sie zwar nicht verändern, aber Sie können sich in Ihrem Verhalten so ausrichten, dass eine Eskalation weniger wahrscheinlich ist.
Ihre Strategie heißt: Orientierung geben, Sicherheit vermitteln, Ihr Gegenüber nachhaltig entstressen!
Um das zu erreichen, versuchen Sie in Gesprächen und bei Beratungen möglichst viele der folgenden fünf Strategien anzuwenden.
Strategie 1: Als „Gastgeber“ souverän Raum beanspruchen!
Im Idealfall behandeln Sie Ihre Kunden wie Gäste. Starten Sie den Kontakt mit einem Lächeln und einer freundlichen Begrüßung. Menschen haben das Bedürfnis wertgeschätzt zu werden. Erfüllen Sie dieses Bedürfnis!
Menschen, die „auf's Amt müssen“, stehen aber nochmal ganz anders unter Strom. Viele erleben im Umgang mit Behörden ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Sie, als Gesicht dieser Behörde treffen zum Teil existenzielle Entscheidungen: Es gibt die finanzielle Unterstützung, die entscheidende Aufenthaltserlaubnis oder Zuschuss für die neue Waschmaschine ...
... oder eben nicht oder nur eingeschränkt.
Eine nicht zu kontrollierende Situation für den Kunden, der entsprechend angespannt ist. Mündet diese Anspannung in aggressives Verhalten, dann mit dem Ziel zumindest wieder etwas Kontrolle über Sie und die Situation zu gewinnen.
Basis der Eskalation ist aber immer wachsende Anspannung!
Mit freundlichem und entgegenkommendem Verhalten können Sie diese Anspannung deutlich reduzieren. Gleichzeitig signalisieren Sie auf diese Weise: Dies ist mein Büro, ich bin hier Gastgeber/in und habe den Hut auf!
Strategie 2: Orientierung geben!
Für Ihre Kunden ist ein Termin bei einer offiziellen Stelle oft eine Belastung. Man weiß - insbesondere beim ersten Besuch - nicht so genau, wie es dort abläuft und fühlt sich zumindest unkomfortabel. Es ist schon ein paar Jahre her, da habe ich bei der Zulassungsstelle gewartet und erst später registriert, dass ich hier eine Nummer ziehen musste. Da fehlte mir ganz offensichtlich Behördenkompetenz.
Wie sind die Abläufe bei Ihnen? Was hat der Kunde zu tun? Welche Möglichkeiten hat er? Geben Sie Ihrem Gegenüber mehr Sicherheit indem Sie erklären, was auf ihn/sie zukommt. Helfen Sie Ihren Kunden zu verstehen, wie Entscheidungen zustande kommen und welche Reaktionsmöglichkeiten sie haben. Transparenz schafft ein Gefühl der Kontrolle und gibt Menschen Sicherheit. Anspannung verringert sich und das ist genau, was Sie wollen.
Strategie 3: Entscheiden lassen!
Ein Gefühl von Kontrolle haben wir dann, wenn wir selbst entscheiden können. Dieses Wissen können wir nutzen im Umgang mit Kunden. Lassen Sie diese mitentscheiden, wo immer das geht:
- „Klappt es mit den Unterlagen bis nächsten Montag oder wollen Sie lieber erst am Dienstag vorbeikommen?"
- „Sie können den Antrag online stellen oder nochmal herkommen. Was ist Ihnen lieber?"
- „Welche dieser Maßnahmen/Angebote sagen Ihnen denn am ehesten zu?"
Sollte es keine Wahlmöglichkeiten geben, dann holen Sie sich die Zustimmung Ihrer Kunden ein: „Ist das okay so?" Das gibt zumindest das Gefühl doch irgendwie an der Entscheidung beteiligt gewesen zu sein. Auch das vermittelt Sicherheit und hält die Anspannung im grünen Bereich.
Strategie 4: Konsequenzen aufzeigen und umsetzen!
Halten sich Kunden nicht an Abmachungen oder werden Spielregeln nicht eingehalten, ist es wichtig, das deutlich anzuzeigen. Geben Sie Orientierung indem Sie klarstellen, was Sie erwarten:
- ... dass Ihr Kunde mitarbeitet,
- dass er pünktlich ist,
- dass er gewaschen zum Termin kommt
- und dass er Sie selbstverständlich respektvoll behandelt.
Weisen Sie ihn dann freundlich aber bestimmt auf die Konsequenzen hin:
- „Ohne Mitarbeit gefährden Sie Ihre Leistungen",
- „Durch Ihre Verspätung habe ich heute weniger Zeit für Sie",
- „Sie riechen sehr unangenehm, so ungewaschen werde ich Sie hier nicht mehr empfangen",
- „Wenn Sie nicht sofort einen anderen Ton anschlagen, beende ich das Gespräch.
Eine erzieherische Qualität hat die Ankündigung von Konsequenzen aber nur, wenn diese im Falle erneuter Regelverletzung auch umgesetzt werden. Passiert genau das nicht, verlieren Sie an Glaubwürdigkeit und der Kunde lernt, dass er einfach so weitermachen kann.
Aus der Sozialforschung wissen wir, dass „Strafe" oft unumgänglich ist, Lob aber viel besser funktioniert. Menschen werden sich eher an Spielregeln halten, wenn sie für Kooperation belohnt werden:
- durch ein paar anerkennende Worte,
- eine zügige Bearbeitung,
- ein freundliches Lächeln (sieht man selbst bei Mund-Nasen-Maske).
Überlegen Sie mal, welche Möglichkeiten Ihnen zur Verfügung stehen, um positiv und auch negativ zu sanktionieren. Holen Sie hier auch die Vorgesetzten mit ins Boot und sichern Sie sich deren Rückendeckung, beispielsweise für das Erteilen von Hausverboten oder auch mögliche juristische Schritte.
Strategie 5: Sich authentisch zeigen!
Für Ihre Kunden sind Sie möglicherweise erstmal nur der verlängerte Arm einer gesichtslosen, mächtigen Institution. Dass Sie auch ein Mensch sind, mit dem man reden kann, muss sich im direkten Kontakt erst noch zeigen. Bewahren Sie sich deshalb bei aller Professionalität ein Stück Offenheit und Authentizität:
- zeigen Sie, wenn Sie etwas freut,
- sagen Sie, was Sie gerade sauer macht,
- entschuldigen Sie sich, wenn Sie etwas übersehen haben.
Oft denken wir, wir sind geschützter, wenn wir uns im Kontakt mit schwierigen Kunden auf unsere Position, unser Amt zurückziehen. Hier haben Sie zwar die „Power" von Bestimmungen und Paragraphen mit im Gepäck, aber etwas Entscheidendes verlieren Sie. Die Wirkung, die Sie als Mensch auf einen anderen Menschen haben könnten - durch echtes Interesse, persönliche Anteilnahme und Ermutigung!
... und noch ein Tipp: Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl. Unsere Intuition bietet im Umgang mit Menschen die absolut schnellste Informationsverarbeitung. Bis der Verstand etwas erkennt auf dem Gefahrenradar, hat der Bauch schon seine Richtung gewechselt - wenn er darf. Wenn Sie also ein ungutes Gefühl haben, warten Sie nicht lange ab, sondern agieren Sie spontan und authentisch!