Das Kritikgespräch: offen und fair!
Nicht geführte Feedbackgespräche können richtig Schaden anrichten!
Je höher die Hierarchieebene auf der ein Fehlverhalten ignoriert wird, desto weitreichender die Auswirkungen. In Unternehmen begegnen mir immer wieder Führungskräfte, die sich mit ihrer Rolle als Feedbackgeber schwer tun. Die meisten fürchten den guten Draht zu ihren Mitarbeitern zu verlieren oder haben Angst vor einer "Retourkutsche". Wie Sie da optimal gegensteuern können, erfahren Sie hier ...
Wie wäre es, wenn Sie Ihre Kritikgespräche für sich persönlich als Fördergespräche deklarieren. Mit dieser inneren Haltung bauen Sie selbst weniger Widerstand auf und können mit Ihrem Mitarbeiter von Anfang an positiv und lösungsorientiert in den Dialog gehen.
Neben dem Kultivieren einer wertschätzenden inneren Haltung, kann man aber auch methodisch einiges tun, um das Kritikgespräch zu einem echten Gewinn für beide Seiten werden zu lassen.
Steuern Sie Ihr Feedback immer durch diese vier Phasen:
Phase 1: Zwei entscheidende To-dos zur optimalen Vorbereitung!
To-do 1: Positionieren Sie sich!
- Klären Sie für sich im Vorfeld, was Sie im Gespräch erreichen wollen. Soll der Mitarbeiter in Zukunft etwas anders machen, z.B. freundlicher auf die Kunden zugehen, pünktlich zum Meeting erscheinen? Oder soll er etwas nicht mehr tun und ein Verhalten abstellen, z.B. sich gegenüber Kollegen nicht mehr im Ton vergreifen?
- Wurde durch das Fehlverhalten des Mitarbeiters ein Unternehmenswert verletzt, z.B. die gewünschte Kundenorientierung, die Zuverlässigkeit im Team oder der Respekt im Umgang miteinander? Auf welchen Fokus soll der Mitarbeiter seinen Verhaltenskompass ausrichten? Gibt es eine Vision, ein Leitbild, mit dem Sie Ihren Mitarbeiter anstecken können?
- Welche konkreten Beispiele für das Fehlverhalten des Mitarbeiters gibt es? Was genau haben Sie wann festgestellt oder beobachtet? Je konkreter, persönlicher und aktueller Ihre Beschreibung ist, desto besser.
Ohne klare Position zu einem Sachverhalt, werden Sie niemals klar kommunizieren können. In kritischen Gesprächen ist es besonders wichtig, nicht rhetorisch "herumzueiern", sondern auf den Punkt zu kommen.
To-do 2: Schaffen Sie günstige Rahmenbedingungen!
- Idealerweise stimmen Sie den Termin für ein Kritikgespräch persönlich mit Ihrem Mitarbeiter ab. Wichtig ist, dass Ihr Mitarbeiter Zeit hat, sich mental auf das Gespräch einzustellen; er soll sich nicht überrumpelt fühlen. Andererseits bedeutet Ihre Einladung vielleicht auch Stress für ihn, deshalb sollte das Gespräch trotzdem zeitnah geplant werden.
- Führen Sie kritische Gespräche immer unter vier Augen!
- Wählen Sie einen ruhigen Ort, an dem Sie ungestört sind!
- Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, damit auch der Mitarbeiter Gelegenheit bekommt, seine Sichtweise umfassend darzulegen.
- Führen Sie das Kritikgespräch nach Möglichkeit auf neutralem Boden. In Ihrem Büro haben Sie „Heimvorteil“! Wenn Sie den nicht unbedingt für die eigene Rückenstärkung brauchen, verzichten Sie einfach darauf. Ihr Mitarbeiter wird das registrieren und zu schätzen wissen.
- Am Tisch setzen Sie sich am besten über Eck nebeneinander und nicht gegenüber, so erleichtern Sie ein Gespräch auf Augenhöhe.
- Gespräche im Gehen sind ebenfalls sehr empfehlenswert, wenn es darum geht, eine Gesprächsatmosphäre aufzulockern. Allerdings braucht es einen geeigneten Park o. Ä. in der Nähe und Sie können sich Notizen dann erst im Anschluss machen.
So optimal vorbereitet, können Sie jetzt offen und mit einer gewissen Gelassenheit in die nächste Phase steuern: die Bearbeitung des kritischen Themas!
Phase 2: "Tacheles reden" in drei Schritten: So bleiben Sie konstruktiv!
Schritt 1: Steigen Sie freundlich ein!
- Begrüßen Sie Ihren Gesprächspartner freundlich und bieten Sie ihm etwas zu trinken an.
- Sagen Sie worüber Sie sprechen wollen und wie viel Zeit Sie eingeplant haben.
- Bieten Sie für den Fall weiteren Redebedarfs eine zeitnahe Fortsetzung des Gesprächs an.
- Auf den klassischen „Small Talk“ zum Einstieg können Sie beim Kritikgespräch verzichten!
Schritt 2: Formulieren Sie Ihren Standpunkt kurz und knackig!
Beschreiben Sie, was Sie beobachtet haben oder was Ihnen aufgefallen ist. Achten Sie darauf, in Ich-Botschaften zu formulieren und konkrete Beispiele zu geben. Auch die (möglichen) Auswirkungen eines Verhaltens und persönliche Emotionen, können Sie beschreiben.
Beispiele:
- “Mir ist aufgefallen, dass Sie in der letzten Zeit öfters unpünktlich waren. (Beobachtung)
- Im letzten Meeting waren es 10 Minuten, bei unserem Treffen mit dem Kunden Meier sogar eine Viertelstunde. (Konkrete Beschreibung)
- Der Kunde Meier guckte mehrmals ungeduldig auf die Uhr und wies mich auf seinen Anschlusstermin hin. (Auswirkung)
- Ich fürchte, dass auch die Kollegen ihre Pünktlichkeit einschränken, wenn wir unsere Meetings weiterhin verspätet starten. (mögliche Auswirkung)
- Mir war es sehr unangenehm, den Kunden Meier warten zulassen. (eigene Emotion)
- Zudem habe ich mich geärgert, dass ich selbst verspätet zu meinem nächsten Termin kam. (eigene Emotion)
Wichtig ist, sich auf konkretes Verhalten zu beziehen und dem Gesprächspartner keine Persönlichkeitseigenschaften, wie beispielsweise Egoismus oder Rücksichtslosigkeit anzudichten.
Was machen Sie aber, wenn Sie keine eigenen Beobachtungen parat haben?
Als Führungskraft müssen Sie sich auch um Beschwerden von Dritten kümmern. Seien Sie jedoch auch hier fair und vermeiden Sie jede Form von Anklage! Wenn sich jemand beschwert, heißt das noch lange nicht, dass er Recht hat oder nicht eine Mitverantwortung für die Situation trägt. Bleiben Sie möglichst neutral, bis Sie sich einen Gesamtüberblick verschafft haben. Erläutern Sie Ihren Informationsstand zu einer Sache und machen Sie weiter mit dem nächsten Schritt.
Schritt 3: Geben Sie Ihrem Gegenüber die Möglichkeit seine Sichtweise darzustellen!
Beim Kritikgespräch sollte der Gesprächspartner immer die Möglichkeit zu einer Stellungnahme bekommen. Fragen Sie beispielsweise: „Wie ist Ihre Sichtweise?“, „Wie konnte es Ihrer Meinung nach, dazu kommen?“. Wie sehen Sie das Ganze?“. Schulen Sie Ihre Fähigkeit wirklich zuzuhören! Signalisieren Sie Interesse an der Sichtweise Ihres Gesprächspartners, indem Sie den Blickkontakt halten und kontern Sie nicht sofort mit einem „Ja, aber ...“. Nehmen Sie sich zurück, seien Sie aufmerksam und fragen Sie interessiert nach!
An dieser Stelle klärt sich oft, was genau die Ursache für eine kritische Situation ist. Beispielsweise könnte ein Mitarbeiter Schwierigkeiten mit der Pünktlichkeit haben, weil er aktuell neben den eigenen Kundenterminen auch noch die wichtigsten Kundengespräche eines erkrankten Kollegen mit übernehmen muss. Möglicherweise war Ihnen diese Mehrbelastung des Mitarbeiters gar nicht bewusst, weil sie davon ausgingen, dass sich die Mehrarbeit auf das ganze Team verteilt. Fragen Sie genau nach, um die Situation wirklich zu erfassen. Um welchen Kunden ging es? Wie genau kam es zu der Verspätung bei Kunde Meier? etc.. Häufig sind auch private Umstände der Grund dafür, dass Mitarbeiter nicht die gewohnte Leistung zeigen. Hier ist es wichtig zunächst die Situation zu erfragen und Verständnis zu zeigen, bevor man gemeinsam nach einer Lösung sucht.
Phase 3: Vermeiden Sie zwei typische Fehler bei der Lösungssuche!
Fehler 1: Zu denken, als Führungskraft müsste man in jeder Situation "souverän agieren"!
Viele Führungskräfte vermeiden kritische Themen auch deshalb, weil sie befürchten an einen Punkt zu gelangen, wo Ihnen spontan keine Lösung einfällt. Insbesondere, wenn es um belastende private Situationen geht, fühlt man sich schnell „sprachlos“ und damit nicht mehr wirklich souverän. Das Problem dabei ist aber eher unser Verständnis von Souveränität: wir wollen in jeder Situation smart, selbstsicher und redegewandt rüberkommen! Erstrebenswerte Eigenschaften, aber eben nicht immer authentisch. Ich finde Menschen souverän, die sich trauen, auch echt zu sein!
Wenn ihr Mitarbeiter Sie überrascht oder berührt mit einer Information, stehen Sie dazu:
- "Herr Maier, Sie sehen mich überrascht, damit habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet ..."
- "Ich finde es gut, dass Sie mit der Diagnose gleich zu mir gekommen sind. Es macht mich aber auch erst einmal sprachlos ...
Trauen Sie sich, auch Ihre menschliche, emotionale Seite zu zeigen. Später können Sie sich ja ganz "smart" wieder auf die Lösungssuche konzentrieren.
Fehler 2: Zu denken, die Führungskraft muss auch der Problemlöser sein!
Entlasten Sie sich von der Erwartung an sich selbst, in jeder Situation Problemlöser zu sein! Bei Ideen, die man selbst zumindest mitentwickelt hat, ist die Motivation für eine Umsetzung am stärksten. Machen Sie die Lösungssuche deshalb erst einmal zur Aufgabe Ihres Mitarbeiters!
Er kennt sich in seinem Umfeld am besten aus und er ist auch derjenige, der etwas verändern soll.
Laden Sie Ihr Gegenüber dazu ein, Vorschläge einzubringen:
- „Wie können Sie sicherstellen, dass Sie in Zukunft wieder pünktlich sind?“
- „Wie ließe sich denn aus Ihrer Sicht die Situation verbessern?“
- „Ich verstehe jetzt, warum Sie in letzter Zeit manchmal nicht ganz bei der Sache waren! Haben Sie eine Idee, wie wir die Kunden trotzdem zufriedenstellen können?
In dieser Phase brauchen Sie Geduld! Nehmen Sie sich zurück und geben Sie Ihrem Gegenüber die Zeit, sich mental auf Ihre lösungsorientierten Fragen einzustellen. Kommen Sie nicht gleich mit eigenen Ratschlägen um die Ecke. Wenn Sie den Lösungen Ihres Mitarbeiters dann noch etwas hinzufügen können, gut so!
Machen Sie konkrete Angebote oder bieten Sie Ihrem Mitarbeiter einfach Unterstützung an:
- „Können eventuell auch andere Kollegen Kundentermine übernehmen? Wenn Sie wollen, kann ich das Thema im nächsten Meeting ansprechen!“
- „Gibt es etwas, dass ich tun kann, um Sie in der schwierigen Situation zu unterstützen?“
Phase 4: Geben Sie einen positiven Ausblick!
Fassen Sie am Ende des Gesprächs wesentliche Ergebnisse noch einmal zusammen und holen Sie sich die Zustimmung Ihres Mitarbeiters ab.
Beispiel: „Ich fasse noch einmal zusammen:
- Sie werden zukünftig ...
- Ich werde auf der nächsten Teamsitzung ...
Ist das korrekt so? Gut, was meinen Sie wie lange Sie für die Umsetzung brauchen? O.k., dann setzten wir uns in sechs Wochen noch einmal zusammen und prüfen, ob sich die Situation verbessert hat, einverstanden?"
Eine „prophylaktische“ Androhung von Konsequenzen ist an dieser Stelle unproduktiv. Zu möglichen „Disziplinierungsmaßnahmen“ können Sie sich Gedanken machen, wenn getroffene Vereinbarungen wiederholt nicht eingehalten wurden.
Beenden Sie das Kritikgespräch positiv, indem Sie Ihre Zuversicht äußern, mit den erarbeiteten Schritten das Problem auch lösen zu können. Betonen Sie gemeinsame Ziele, z.B. zufriedene Kunden und auch den spezifischen Nutzen, den der Mitarbeiter durch sein Engagement in dieser Sache hat, z.B. die höhere Akzeptanz der Kollegen in der Rolle als Teamleiter.
Damit Sie jederzeit nachhalten können, was genau Sie vereinbart haben, halten Sie Ergebnisse am besten schriftlich fest. Diese Notizen liefern auch die Grundlage für das verbindlich vereinbarte Follow-Up-Gespräch. Hier werden Sie gemeinsam die Wirksamkeit der Lösungsideen prüfen und dann eventuell noch einmal nachjustieren.
Im Idealfall geht ihr Mitarbeiter zuversichtlich und gestärkt aus dem Feedbackgespräch mit Ihnen. Wenn Sie wissen wollen, inwieweit Ihnen das gelungen ist, fragen Sie Ihren Gesprächspartner im Anschluss doch einfach!