Aggressive, übergriffige Kunden im Büro?
Teil 1: Distanz ist beautiful oder "Lassen Sie sich nie zu dicht auf die Pelle rücken"!
Zum Glück sind die meisten Menschen eher friedlich unterwegs und zeigen sich im Kundengespräch kooperativ. Aber nicht jeder Zeitgenosse ist so gestrickt und manchmal befinden sich Menschen auch situationsbedingt in einer Art Ausnahmezustand, z.B. wenn Sozialleistungen gekürzt oder ein Kredit nicht erweitert wird. Sobald sich Menschen existenziell bedroht oder herabgesetzt fühlen, kann der Kundenkontakt zumindest unangenehm werden.
Distanz ist "beautiful"!
Das Risiko physisch oder emotional wirklich verletzt zu werden, verringern wir am effektivsten, indem wir auf Signale von erhöhter Anspannung bei unserem Gesprächspartner direkt und ohne Umschweife reagieren. Je früher wir auf unser Gegenüber eingehen und bei Bedarf auch Grenzen aufzeigen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir unseren emotional geladenen Kunden wieder „runterholen“ und auf eine sachliche Kommunikationsebene zurückführen können.
Ein ernstzunehmendes Signal von Zudringlichkeit ist es, wenn jemand unser Distanzbedürfnis ignoriert und uns zu „nahekommt“.
Lassen Sie sich im Kundenkontakt nicht „auf die Pelle rücken“!
Stellen Sie sich um Ihren Körper herum vier relativ abgegrenzte Distanzzonen vor, die ringförmig angeordnet sind. Ganz nah bei Ihnen liegt die intime Distanz, etwas weiter entfernt die persönliche Distanz, dann die gesellschaftliche Distanz und schließlich als äußerster Ring die öffentliche Distanz.
Unser persönliches Empfinden, wann uns jemand physisch zu nahekommt, ist gar nicht so individuell, wie wir vielleicht annehmen. Bereits als Kinder lernen wir, welche Distanz zwischen Personen in einer bestimmten Situation üblich und angemessen ist. Diese Verhaltensnormen übernehmen wir ganz natürlich von unserem Umfeld und spüren auch sehr direkt, wenn eine Distanz unterschritten wird.
Unser Bauchgefühl ist ein erstaunlich zuverlässiger Partner, wenn es darum geht, Grenzüberschreitungen angemessen einzuschätzen.
Aber Grenzen sind ja - wie so oft - fließend und manchmal übersehen wir erste, kleine Warnhinweise. Statt unser körperliches Revier deutlich zu markieren, lassen wir es zu, dass jemand unsere Grenzen ignoriert.
Die folgenden Reviergrenzen geben Ihnen eine recht gute Orientierung!
1. Die öffentliche Distanz (350 cm und mehr)
Diese Distanzzone ist geeignet den persönlichen Kontakt zu anderen Personen weitgehend zu minimieren. Ich hatte noch keine Gelegenheit über einen roten Teppich zu laufen, aber der Abstand zu den seitlichen Absperrungen sollte in etwa dieser Distanz entsprechen. Auch die Bühnen in Theater, Oper oder beim Rockkonzert sind in entsprechendem Sicherheitsabstand installiert. Körperliche Berührungen oder Angriffe sind aus dieser Distanz nicht ohne weiteres möglich und Personen fühlen sich entsprechend sicher. Auch wenn wir uns mit unangenehmen Menschen gerne auf diese öffentliche Distanz einpendeln würden, für persönliche Gespräche oder eine Beratung ist dieser Abstand nicht so passend, denn hier wollen wir Kontakt in der Regel ja nicht vermeiden, sondern herstellen. Dafür ist die nächste Interaktionszone deutlich besser geeignet.
2. Die gesellschaftliche Distanz (ca. 100 - 300 cm)
In dieser Distanzzone finden wir den Gruß ohne Handschlag zwischen Kollegen, aber auch Gespräche mit klaren Statusunterschieden. Das typische Mitarbeitergespräch wird diesen Abstand zwischen den Beteiligten aufweisen und auch die meisten Kundengespräche gehören in diesen Bereich. Die meisten Menschen unterschreiten diese Distanz instinktiv nur kurz, z.B. zum Händeschütteln oder um etwas in einer Unterlage zu zeigen, halten dann aber zur Fortführung des Gesprächs wieder mehr Abstand ein. Probieren Sie doch mal aus, mit welchem Abstand Sie sich am wohlsten fühlen. Eine Regulation in dieser Distanzzone ist vergleichsweise einfach. Sie treten einen Schritt zurück oder rücken mit Ihrem Stuhl etwas nach hinten. Riskanter wird es wenn jemand den „kritischen Meter“ unterschreitet und in unsere persönliche Distanzzone eindringt.
3. Die persönliche Distanz (ca. 50 bis 100 cm)
Diese Distanzzone entspricht in etwa dem Abstand, den zwei Menschen einnehmen, wenn sie sich mit Handschlag begrüßen. Für Alltagsgespräche mit bekannten Menschen mag die Entfernung noch angenehm sein, für den Umgang mit Fremden z.B. im beruflichen Umfeld ist hier ein absolutes Maximum erreicht. Oft geht man nach der Begrüßung wieder etwas auf Distanz und setzt sich an einem Beratungstisch zusammen, der wieder die gesellschaftliche Distanz von deutlich mehr als einem Meter vorsieht. Wenn es jemanden in Ihre persönliche Distanzzone zieht, den Sie da nicht haben wollen, reagieren Sie sofort. (siehe unten: So markieren Sie Ihre Grenzen!)
4. Die intime Distanz (bis ca. 50 cm)
In dieser Distanzzone wollen wir nur Menschen haben, die auch unsere Erlaubnis haben, uns anzufassen. In der Regel sind das etwa Familienmitglieder, Partner und Freunde. Andere Personen haben hier nichts zu suchen und müssen unmissverständlich auf Abstand gebracht werden.
In bestimmten Situationen müssen wir auch Fremde in diesem Bereich akzeptieren und fühlen uns entsprechend unwohl dabei. Denken Sie beispielsweise an einen überfüllten Bus oder den vollbesetzten Fahrstuhl. Hier versuchen wir zum Ausgleich der räumlichen Nähe instinktiv, den Blickkontakt zu anderen zu vermeiden. Moderne Aufzüge oder Busse verfügen deshalb über Spiegel, die mehr Raum vermitteln sollen oder Werbeflächen, die es möglich machen, sich abzulenken und die Enge weniger stark zu empfinden.
Bezüglich der einzuhaltenden Grenzen empfinden wir Menschen im Allgemeinen also recht ähnlich.
Sollte also jemand, ohne Ihre Einladung und obwohl er es vermeiden könnte, in Ihre intime Distanzzone eindringen, so gehen Sie nicht davon aus, dass ihr Gegenüber nicht genau weiß, was er gerade tut. Vielleicht handelt jemand nicht voll bewusst, aber die Botschaft lautet immer: „Ich respektiere „Deine“ intime Distanzzone nicht!“
... und auf diese Botschaft sollten Sie antworten!
So markieren Sie Ihre Grenzen!
Natürlich kann man die Überschreitung der physischen Distanz nicht unabhängig von anderen verbalen oder nonverbalen Botschaften interpretieren. Jemand, der Sie freundlich anlächelt darf Ihnen vermutlich näher kommen, als eine Person mit hochrotem Kopf und zusammengekniffenen Augenbrauen.
Aber das Reduzieren von Distanz kann ein erster Hinweis auf einen negativen Stimmungswechsel beim Gegenüber sein. Warten Sie nicht, bis weitere Signale darauf hinweisen, dass jemand unruhig wird oder geladen ist. Sobald Ihnen auch nur ansatzweise unbehaglich wird, vergrößern Sie als erstes den Abstand.
Körpersprache ist der direkteste Weg zu kommunizieren. Auf Distanz zu gehen, bringt eine klare Zäsur in kritische Situationen.
Sollte jemand zusätzlich die Stimme anheben, sich plötzlich zu Ihnen vorbeugen oder einen unfreundlichen Ton anschlagen, dann erweitern Sie auch Ihre nonverbales Antwortspektrum entsprechend:
- Stehen Sie auf, wenn Sie gesessen haben,
- straffen Sie Ihren Körper,
- nehmen Sie die Schultern zurück,
- schauen Sie Ihr Gegenüber direkt an.
Vor allem harmoniebedürftige Menschen neigen in dieser Situation zu einem Lächeln, um die Situation zu entschärfen. Ein Lächeln ist fast immer hilfreich, aber nicht hier. Es wird Ihnen garantiert als Schwäche ausgelegt und animiert ihr Gegenüber zu weiteren „Attacken“. Bei Ihnen ist eine Grenze erreicht und das darf man auch sehen!